Für mich Nähen

Raus aus der Komfortzone

11. Mai 2017

Wir Nähdamen (und -Herren) im deutschsprachigen Raum werden zurecht der Jersey-Nähfraktion zugeschrieben. Ich glaube kaum ein anderer Stoff landet hierzulande häufiger unter der Nähmaschine als Jersey. Spätestens mit dem Einzug meiner ersten Overlock erging es mir damals auch so. Was für akkurate Nähte kann man damit zaubern?! Und wie schnell lässt sich damit plötzlich ein Shirt nähen?! Die Faszination dabei kann ich also durchaus nachvollziehen.

Auch als Nähanfänger kann man mit Jersey schnell tolle Ergebnisse erzielen. Jersey verzeiht einiges, denn auch wenn die Nahtzugabe mal nicht ganz genau eingehalten wurde, lassen sich durch ein bisschen ziehen hier und stecken da Ungenauigkeiten ausgleichen, ohne dass man später was davon sieht.

Wenn man sich in der Welt der deutschen Schnittmusterersteller umguckt, findet man zum Großteil eBooks und Schnitte, die auf dehnbare Materialien ausgelegt sind. Die Stoffhersteller ziehen nach: die meisten Läden oder Onlineshops sind auf Jersey, Sweat und Co ausgelegt und auch die ganzen tollen Eigenproduktionen sind fast immer aus Jersey.

Meine Oma sagt zu Jersey immer noch Schlafanzug-Stoff, weil man ihn wohl früher nur dazu vernäht hat. Heutzutage ist das wohl kaum noch denkbar. Viel zu schade wären die Stoffe in ihrer Farb- und Motivvielfalt, wenn man sie einzig für Nachtwäsche verwenden würde. Wenn ich mir den Kleiderschrank meiner lieben Omi so angucke, findet sich darin aber auch heute kaum ein Teil aus besagten Stoff. Viel mehr findet man darin klassische Materialien, wie man sie auch früher verwendet hat – hauptsächlich also Webware. Daraus hat sie sich früher auch ihre Kleider genäht und was für welche, sag ich euch! Das ein oder andere liegt heute noch bei mir und wird zum Fasching gern mal rausgeholt. Die größte Faszination ist bei mir dann immer, dass all diese Kleider zum größten Teil komplett ohne fertigen Schnitt genäht wurden. Einfach weil es das damals noch nicht gab und die Kleider auf die eigenen Maße angepasst wurden. Was war das noch für eine Nähkunst!

Heutzutage muss man sich darum keine Gedanken mehr machen. Man kann mit vielfältigen Schnitten einfach drauf los nähen – Gott sei Dank auf der einen Seite, schade aber auch irgendwie auf der anderen.

Worüber ich aber inzwischen sehr, sehr froh bin, ist dass in den letzten Jahren auch vermehrt Schnittmusterersteller auf Webware setzen. Auf Schnitte für Kleidungsstücke, die nicht mal eben schnell genäht sind, dafür – meiner Meinung nach – aber sehr viel her machen. Und ich meine damit weg von Burda und Co, die ja schon immer sehr aktiv in diesem Bereich waren. Ich für meinen Teil liebe eBooks sehr – sie sind meistens sofort verfügbar und man kann gleich losnähen. Klar, das Kleben der Schnitte dauert seine Zeit, aber ich mag das trotzdem um einiges lieber als von wirren Schnittmusterpapieren noch abpauschen zu müssen.

Lange Rede… Worauf ich hinaus will, ist dass ich in letzter Zeit die schnellen Schnitte für Jersey und Co. etwas über hatte. Ich hatte wieder vermehrt Lust auf aufwändigere Projekte, Projekte aus Webware. Da passte der neue Schnitt “Irene”* von Lotte & Ludwig perfekt rein.
Die EBooks von Lotte & Ludwig sind dafür bekannt, dass sie nicht mal eben schnell genäht sind, aber sie sind jedes für sich sehr besonders, immer wieder lehrreich und das Ergebnis macht glücklich.

Svenja hat mit ihrem “Irenes Kleid” ein Herzensprojekt umgesetzt und den Schnitt nach ihrer verstorbenen Oma benannt. Das Kleid besticht durch seine vielen liebevollen Details: eine tolle Knopfleiste mit versteckten Beleg, Eingriffstaschen, Ärmel mit gerafften Tropfenausschnitt und ein wundervoll fallendes Rockteil. Die Wiener Nähte machen eine schöne Form, die Bewegungsfalte im Rücken sorgt für Bequemlichkeit und die Schleife setzt dem Ganzen noch das i-Tüpfelchen auf.

Das alles sind Details, die Zeit fürs Nähen brauchen. Aber genau das macht mir immer wieder so große Freude und ich bin dankbar dafür, dass ich mich ab und an auch mal aus der Näh-Komfortzone bewege. Meine erste Irene habe ich aus Chambray genäht. Der Stoff ist recht fest, trägt sich aber sehr angenehm. Als weiteres kleines Detail habe ich beim Rockteil noch Biesen eingenäht. So schön kann man sich eben auch nur bei Webware auslassen ;-).

Liebe Grüße,
Katja

Schnitt: “Irenes Kleid”* von Lotte & Ludwig 

Stoff: Chambrey von Stoff & Stil   

Verlinkt bei: RUMS

*Der Schnitt wurde mir zum Probenähen zur Verfügung gestellt. Die Meinung ist jedoch meine eigene.

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17 Comments

  • Reply Huegelring 11. Mai 2017 at 8:30

    Einfach wunderschön liebe Katja. Es lohnt sich wirklich aus der Nä-Komfortzone herauszukommen.

  • Reply Bitja Bickel 11. Mai 2017 at 9:11

    Liebe Katja,
    das ist ein richtig tolles Kleid geworden! Ich bin nicht so der Schleifen-Fan, aber die Biesen am Rock sehen sooooo toll aus! Total schön!
    LG Bitja

  • Reply Anonym 11. Mai 2017 at 12:06

    Tolles Kleid, der Aufwand hat sich gelohnt! Dass viele häufig Jersey nähen, liegt sicher auch daran, dass Jerseykleidung sehr alltagstauglich ist. Kleider aus Webstoff sind einfach angezogener und noch mal ne ganze Ecke schicker. Und damit sie dann wirklich auch für schick gehen, müssen sie wiederum perfekt genäht sein. Ich näh mich auch gerade aus meiner Komfortzone raus… LG Sibylle

  • Reply Käthe 11. Mai 2017 at 16:59

    Das ist lieb von dir! Hab lieben Dank 🙂

    Liebe Grüße,
    Katja

  • Reply Käthe 11. Mai 2017 at 17:00

    Dankeschön, Bitje. Ich bin ja sonst auch nicht so der Schleifenfan, aber hier mag ich es total und finde es sehr passend.

    Liebe Grüße,
    Katja

  • Reply Käthe 11. Mai 2017 at 17:02

    Da gebe ich dir vollkommen recht, Sybille! Für den Spielplatz ist das nichts :). Ich glaube die Mischung macht's. Was nähst du denn gerade Schönes?

    Liebe Grüße,
    Katja

  • Reply maikaefer 11. Mai 2017 at 20:18

    Oh ja! Das ist super schön geworden. Ich liebe Webware auch sehr – hab mich am Anfang meiner Näherei sogar vor Jersey gefürchtet. Natürlich zu Unrecht. Und dennoch ist sie geblieben – die Liebe zu besonderen Stücken aus Webware. Und dein Kleid ist so etwas ganz besonderes. So schön! Viele liebe Grüße maika

  • Reply Nadelsuse 11. Mai 2017 at 21:29

    Ein wunderschönes Kleid hast du da gezaubert. Das Verlassen hat sich wirklich gelohnt.
    Mir geht es im Moment ähnlich. Nicht, das ich Jersey schon über hätte, im Gegenteil, da hab ich noch genug Projekte für die Burzelmaus und auch für mich im Kopf.
    Aber ich bekomme einfach auch Lust auf Webware. Mal wieder was "richtiges" nähen, drückt es jetzt bestimmt doof aus und stellt den guten Jersey in ein falsches Licht.
    Wie du so schön schreibst, ich möchte raus aus der Komfortzone. Zwei einfachere, kleine Projekte hab ich für den Anfang, aber auch schon ein aufwendigeres im Kopf. Und ich freu mich schon richtig drauf.

    Liebe Grüße, Susanne

  • Reply Tabea 11. Mai 2017 at 23:06

    Deine Liebe zu Jersey kann ich gut nachvollziehen – bequem zu tragen und man kann ein bisschen bei der Präszision schummeln 😉 Aber Webware mag ich trotzdem lieber, da sie besser zuzuschneiden geht… außerdem habe ich keine Overlock und nähe zu selten, als dass sich eine lohnen würde.

    Davon, dass manche Leute ohne Schnittmuster nähen können, bin ich total begeistert. Ich scheitere ja schon an einfachen Projekten mit Schnittmuster, weil ich zu wenig Übung habe 🙁

    Dein Kleid beeindruckt mich zutiefst! Es sieht so aufwändig und akkurat gearbeitet aus – und die Schleife und der Rücken sind einfach ein Traum. Meinen allergrößten Respekt für dieses Kleidungsstück hast du eindeutig verdient 🙂

    Liebe Grüße

  • Reply oceaniss 12. Mai 2017 at 6:57

    Was ein tolles Kleid. Ich bin gerade auf der Suche nach Schnittmustern aus Webware. Traue mich bis jetzt aber noch nicht so richtig dran. Aber dieses Kleid ist echt der knaller.
    Liebe Grüße
    Sonja

  • Reply LuLu 12. Mai 2017 at 14:06

    Ein Kleid der so viele liebevolle Details hat, unfassbar schön und auch sehr besonders und wertvoll. Ich finde übrigens die langsamen Projekte gerade auch sehr entspannend 😉
    Liebe Grüße,
    Lee

  • Reply Käthe 30. Mai 2017 at 23:02

    Das kann ich durchaus nachvollziehen, Maika! Meine Liebe zu Webware wird eher immer größer, auf Jersey und co will ich aber auch nicht verzichten :).

    Liebe Grüße und ein großes Danke,
    Katja

  • Reply Käthe 30. Mai 2017 at 23:03

    Das ist aber lieb von dir und freut mich total zu lesen. Gerade das akkurate nähen bei solchen Stücken fasziniert mich immer sehr und macht großen Spaß!

    Liebe Grüße und hab tausend Dank!

    Katja

  • Reply Käthe 30. Mai 2017 at 23:04

    Du sprichst mir aus der Seele – "was richtiges nähen" trifft es wohl sehr gut! Danke für deine lieben Worte und viel Spaß beim nähen!

    Liebe Grüße,
    Katja

  • Reply Käthe 30. Mai 2017 at 23:06

    Glaub mir – wenn du erst mal damit begonnen hast, wirst du es immer wieder tun ;). Ich drück dir die Daumen, dass du bald den mit findest. Es gibt so viele tolle Schnitte für Webware!

    Liebe Grüße,
    Katja

  • Reply Käthe 30. Mai 2017 at 23:07

    Danke, liebe Lee! Ja, entspannend und freudig zugleich! Auch weil man weiß, was man "geleistet" hat.

    Liebe Grüße,
    Katja

  • Reply Anna 4. Juni 2017 at 8:16

    Toll, dieses Kleid und dein Blogbeitrag ist sehr inspirierend! Ich möchte auch mal wieder was Schönes aus Webware zaubern. Das Jeanskleid, dass du im April zeigtest, finde ich auch sehr schön! Vielleicht wage ich mich auch mal raus aus der Näh-Komfortzone… Vielen Dank für die Inspiration! Anna

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